Dienstag, 12. Juli 2016

Am 12. Juli 1996, also heute vor zwanzig Jahren

... starb der wohl letzte »große« österreichische Komponist (bzw. »Componist«, wie er sich selbst zu schreiben pflegte): Gottfried von Einem.

Ja, ich weiß — ist er denn ein »österreichischer Komponist«, wenn er in Bern geboren wurde (aber immerhin als Sohn des damaligen k.u.k. Militärattachés dortselbst)? Wenn er von 1921 bis 1952 ja gar nicht in Österreich lebte? Ist das wieder die so oft vermutete Anmaßung dieser größenwahnsinnigen Österreicher, die ihren Minderwertigkeitskomplex, ein früheres Weltreich verurscht zu haben, damit kurieren wollen, daß sie Beethoven zum Österreicher, und dafür Hitler zum Deutschen machen (wie das bekannte Bonmot lautet ...)?

Und doch: Gottfried von Einem kam nach Wien — und wurde aus einem recht vielversprechenden, jungen Komponisten erst hier zum anerkannten (wenngleich von den Mißtönern der bloß selbsternannten »Modernen Musik« erbittert befehdeten!) Meister. Und er blieb, trotz dieser Anfeindungen, hier — bis zu seinem Tode, also für mehr als vier Jahrzehnte. 

Der smarte junge Mann (siehe rechts) gewann in diesen Jahrzehnten nicht nur an internationalem Ansehen, an kompositorischer Souveränität, förderte junge Talente als Kompositionsprofessor an der Wiener Musikakademie (heute etwas bombastisch »Musikuniversität« genannt), und bereicherte das Kulturleben des Landes durch eine große Zahl erfolgreicher Kompositionen — erfolgreicher freilich beim Publikum als bei den Kritikern, die viel lieber etwas Unanhörbares angehört, und — pour epatér le bourgeois —  gepriesen hätten ...

Es ist wirklich interessant, daß Einem sein Leben lang einen weitgehend gleichbleibenden, völlig unverwechselbaren Personalstil »schrieb« — denn eine solche Konstanz trotz aller Entwicklungen, quer durch ein fast acht Jahrzehnte dauerndes Leben ist doch überaus selten! Natürlich speist sich der Personalstil aus Vorbildern — Gustav Mahler bspw. ist unüberhörbar präsent —, doch bei welchem, auch größten Komponisten wäre das denn nicht der Fall gewesen? Selbst Richard Strauss (dessen Stil wohl zu den »persönlichsten« aller Musikepochen zählt!) hat Anklänge an Wagner oder die Symphonischen Dichtungen von Franz Liszt, und führt das bissige Bonmot eines Musikkritikers nach der Uraufführung von »Dantons Tod« bei den Salzburger Festspielen: »Diese Oper ist nicht von Einem, sondern von vielen!« ad absurdum...

Neben Lord Britten ist Gottfried von Einem der wohl letzte auch »beim Publikum angekommene« Openkomponist des 20. Jahrhunderts. Insbesondere »Dantons Tod« op. 6, »Der Prozeß« op. 14 (nach Kafka), »Der Besuch der alten Dame« op. 35 (nach Dürrenmatt) und »Kabale und Liebe« op. 44 (nach Schiller) erlebten viele erfolgreiche Aufführungen — die (librettobedingten, und in Wahrheit auch aus diesem Grunde kaum berechtigten) Theaterskandale um seine Mysterienoper »Jesu Hochzeit« op. 52 lösen heute bestenfalls Kopfschütteln aus ...

Ebenso bedeutend war Gottfried von Einem als Symphoniker. Aus einer größeren Zahl kürzerer Orchesterwerke sei hier das »Nachtstück« op. 29 herausgegriffen:


Vergleicht man diese Musik mit der seiner späten »Vierten Symphonie« op. 80 (aus dem Jahr 1988, über ein Vierteljahrhundert später) erkennt man beglückt die Konstanten in der Kunst dieses Meisters:


Eine herbstlich-schmerzliche Schönheit liegt über den — beim ersten Hinhören oft so eingängigen — Melodien, die von gelegentlich verstörenden Dissonanzen in den für Einem charakteristischen Tutti-Sforzati des Orchesters wie »zerbrochen« werden. Die meisterhafte Instrumentation — und hier insbesondere das in den meisten Werken so feinfühlige Zusammenspiel von Streichern und Harfe, auch kombiniert mit dem solistischen Einsatz von Holzbläsern — evoziert im Hörer ein Gefühl ... eben herbstlicher Schönheit — und Vergänglichkeit.

Doch auch auf den Gebieten der Kammermusik — das 1. Streichquartett op. 45 (1976) als Beispiel —


des Liedes und verschiedenster Instrumentalwerke für Klavier und andere Soloinstrumente hat Einem Hervorragendes geleistet. Beenden wir diesen Artikel noch mit einer Aufnahme seiner großartigen Kantate »An die Nachgeborenen« aus dem Jahre 1975, die als Auftragswerk für das Jubiläum der UNO verfaßt wurde:


Wer diesen vielseitigen, faszinierenden Komponisten näher kennenlernen will, hat dazu auf der höchst informativ gestalteten Website http://www.gottfried-von-einem.at/ Gelegenheit.


Gottfried von Einem 1992


4 Kommentare:

Traditionstreuer hat gesagt…

Was der werte Penseur leider (bewußt??) unerwähnt lässt: dass Gottfried von Einem nicht nur große und großartige Töne produziert hat, sondern auch einen Blagen, der als hinlänglich bekannter Kaspar Einem (das "von" hat er natürlich, wie das in diesen Kreisen hip ist, mit theatralischer Geste von sich geworfen) einer der übelsten linksgrünversifften Sozen-Politruks in den 80er, 90er Jahren (Wissenschaftsminister) gewesen ist.
Das wirft doch einen Schatten auf den großen Komponisten.

kennerderlage hat gesagt…

@traditionstreuer,

weder war j.w. v. goethe fuer seinen mindergenialen august v. goethe verantwortlich, noch r. wagner fuer seinen schwulen sohn siegfried. geniale vaeter haben oft unfaehige soehne. von einem eben auch, was seine kompositionen nicht schlechter macht.

Traditionstreuer hat gesagt…

@Kennerderlage:
Die Vergleiche mit den Filii von Goethe und Wagner greifen nicht wirklich. Dafür dass ein Sohn schwul ist, ist kein Vater (und keine Mutter) verantwortlich. Das ist höhere Gewalt, die man einfach nur erleiden kann. Ebenso mit der geistigen Zurückgebliebenheit von August G. Da konnte JWG nichts für, der ihm alle nur mögliche Bildung versuchte angedeihen zu lassen.

Aber für die weltanschauliche und politische Haltung meiner Kinder trage ich sehr wohl eine Mitverantwortung, und keine kleine! Da hat es der große von Einem offensichtlich arg schleifen lassen. Allerdings erzählte mir mal jemand aus dem Familienumfeld, er habe den Kontakt mit seinem Sohn sofort abgebrochen, als dieser sich an die Sozen ranschmiß. Das spricht dann doch für ihn.

kennerderlage hat gesagt…

back to topic!

@lp:

danke fuer den artikel. ich kannte bis jetzt nur aus dem radio die "alte dame" - eher nicht mein fall - und die "kabale u. liebe" (wirklich schoen!).

aber von einem konnte was! mehr als die meisten zeitgenossen!