Samstag, 2. August 2014

Prof. »Silvæ«

... philosophierte vor einiger Zeit über Hosenumschläge. Und unlängst über Fräcke (diesen Plural verwendet Professor »Silvæ«, Gott sei Dank, ebenso wie der Österreicher. Echte Piefkes sagen vielleicht »Fracks« dazu — wer weiß! Aber Piefkes sagen am Telephon auch »Tschüß!«, statt »Auf Wiederhören!« ...).

Lesenswert, wie die meisten seiner Artikel — wenn ich auch nicht immer seine (insbes. politischen) Ansichten teile, kann ich nicht bestreiten, daß sie vergnüglich und mit Gewinn zu lesen sind — und wäre der Gewinn darin, danach genau zu wissen, was man nicht mag ...

Nur in einem ist im letzteren Artikel dem geschätzten Professor nicht zuzustimmen:  da Gustav Mahler deutlich vor Adolf Loos verblichen ist, entbehrt die spitze Bemerkung »Tja, die Österreicher, nicht mehr zu den feinen Distinktionen fähig, die Adolf Loos noch kannte« so ziemlich jeder Grundlage. Ich halte das ganze für eine — und nicht einmal gut erfundene! — Legende, denn Mahler war mit seinem markanten Aussehen eines jüdischen Intellektuellen sicherlich nicht leicht für einen (meist jovial patriarchalisch wirkenden) Kaffeehaus-Ober zu halten.

Wenn wir gerade bei Fräcken sind ... irgendwie glaube ich dem guten Professor auch nicht ganz die Authentizität folgender Episode:
Und nun kommt 1957 Glenn Gould, der erste klassische Musiker aus Nordamerika. In der kanadischen Botschaft erklären ihm Bedienstete, dass das Publikum beleidigt wäre, wenn er wie gewohnt seinen schwarzen Anzug tragen würde. Im kommunistischen Arbeiterparadies will man den Pianisten im Frack, des Kleidungsstück des Feudalismus, sehen. Gould fügt sich. Er ist in seiner Karriere nie so gefeiert worden, wie bei den Auftritten in Moskau und Leningrad.
Nun, es ist keine Frage, daß Glenn Gould im Frack auftrat — es gibt ja die Photos! Nur daß das Publikum beleidigt gewesen wäre, kontrastierte doch ein wenig mit der amüsanten Anekdote des bekannten DDR-Spionagechefs und Generalobristen Markus Wolf (in seinem Buch »Spionagechef im geheimen Krieg«, München 1998, erwähnt), in welcher er berichtet, wie der erste Botschafter der DDR in Moskau anläßlich einer Festveranstaltung darauf insistierte, daß alle Angehörigen der Botschaft (Markus Wolf war dieser 1949-51 trotz seiner vergleichsweisen äußerst jungen Jahre als 1. Botschaftsrat zugeteilt) im Frack erschienen. Die Gäste kamen freilich fast alle im schwarzen Anzug, worauf ihm einer dieser Ehrengäste, ein alter Metropolit der Russisch-Orthodoxen Kirche, den er zur Verabschiedung ganz protokollgemäß bis zur Tür geleitete, bei der Gardarobe diskret einen Rubel als Trinkgeld in die Hand drückte, weil er ihn für einen Kellner gehalten hatte ...

Ach, beim Thema »Frack« kann man vom Hundertsten ins Tausendste kommen ... so auch bezüglich der Kritik am »Cummerbund zum Frack« des Herbert von Karajan, der freilich von der facheinschlägigen, in unmittelbarer Nähe zur Wiener Staatsoper gelegenen Firma »Frack & Co.« ausdrücklich in dieser Form (allerdings mit weißen Cummerbund) als »Musikerfrack« angeführt wird — und in genau dieser Form auch von den Wiener Philharmonikern, denen man bekleidungsmäßiges Herostratentum nicht wirklich nachsagen könnte, bei den Konzerten getragen wird.

Tempora mutantur, nos et ...

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