Samstag, 29. März 2014

Recht? Unrecht?

Die geneigten Leser dieses Blogs werden gebeten, zwei Artikel hintereinander zu lesen. Zunächst den in der angesehenen »bürgerlichen« Neuen Zürcher Zeitung:

Die Republik Österreich als Profiteur

Freiheitsstrafe nach der Wiedergutmachung

Ein Wiener Journalist soll für drei Jahre ins Gefängnis, weil er im Verfahren auf Rückerstattung einer von den Nazis arisierten Liegenschaft seine Tante als Miterbin verschwiegen hat. Geschädigt fühlt sich allerdings der österreichische Staat.
Weil er das Antragsformular zur Restituierung einer von in der Nazizeit seinen Vorfahren in Wien geraubten Liegenschaft nicht richtig ausgefüllt hat, soll der Journalist Stephan Templ, der unter anderem auch für die «Neue Zürcher Zeitung» schreibt, demnächst eine Freiheitsstrafe von drei Jahren antreten.
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 Und nun erst, bitte, nach der Lektüre der NZZ, den Artikel im bekannt gutmenschelnden Wiener Stadtmagazin »Der Falter«:

Ein schwieriger Erbe

Der Journalist Stephan Templ kämpft um das Vermögen seiner jüdischen Vorfahren. Nun soll er ins Gefängnis. Steckt dahinter eine Staatsaffäre oder ein banales Verbrechen?

Als Stephan Templ am 25. April 2013 das Wiener Landesgericht für Strafsachen betritt, ist er ein furchtloser Bürger. Was dann kommt, muss sich anfühlen wie ein Schlag ins Gesicht.
Punkt für Punkt nimmt Richterin Sonja Weis seine Verteidigung auseinander und reibt ihm unter die Nase, wann und wie er versucht habe, „möglichst viel Geld zu lukrieren“. Schließlich verkündet sie: drei Jahre unbedingt wegen schweren Betrugs. 
(Hier weiterlesen)
 Nach der vollständigen Lektüre des zweiten Artikels ist man leicht verwirrt. Und begreift auch als Nicht-Jurist, wie schwer es ist, Recht sprechen zu wollen. Auch für einen Obersten Gerichtshof. Der in diesem Fall die Nichtigkeitsbeschwerde des erstinstanzlich Verurteilten verwarf (die damit verbundene Berufung gegen das Strafausmaß wird daher demnächst vom Wiener Oberlandesgericht behandelt werden).

Recht? Unrecht? Und wenn letzteres: wie schwer zu be- und zu verurteilen! Nein, Jus ist keine schöne Profession, so betrachtet ...

4 Kommentare:

Ferndiagnostiker hat gesagt…

"Zwei Mal fordert sie ihre Schwester per Anwaltsbrief auf, ihr Erbteil zu überweisen – keine Reaktion. Dann erst wendet sich der Anwalt von Frau K. an die Staatsanwaltschaft und legt den Sachverhalt dar."

Wirklich ein kuriose Sache. Der Sohn/Neffe füllt ein Antragsformular unvollständig aus, sei es vorsätzlich, sei es aus Fahrlässigkeit. Die Mutter ist nicht bereit, ihrer Schwester deren Anteil zu geben. Und dafür wird der Sohn/Neffe zu 3 Jahren unbedingt verknackt.

Nach meinem Gefühl ist die Mutter mindestens genau so schuldig oder unschuldig wie der Sohn, den man vielleicht als Beitragstäter sehen könnte. 3 Jahre unbedingt erscheinen völlig absurd. Ebenso die Republik Österreich, die sich als Opfer darstellt. Wenn, dann sollte man die Mutter dazu verurteilen, den Anteil an ihre Schwester herauszugeben.

Jedenfalls war es höchst ungeschickt, der Schwester/Tante nichts geben zu wollen. Hätte man gezahlt, wäre nichts passiert.

Le Penseur hat gesagt…

@Ferndiagnostiker:

Wenn, dann sollte man die Mutter dazu verurteilen, den Anteil an ihre Schwester herauszugeben.

D'accord. Nur vermischen Sie hier zivilrechtliche Herausgebeansprüche und strafrechtlich geahndete Delikte ...

Des Recht is a Hund, wie der Wiener sagt ...

Ferndiagnostiker hat gesagt…

Echt eine verzwickte Sache.

Der Sohn füllt für die Mutter ein Antragsformular aus, fehlerhaft bzw. unvollständig, die Mutter erhält daraufhin Geld. Die Schwester/Tante ist benachteiligt, sei es, weil sie ihren eigenen Antrag zu spät gestellt hat (Fristversäumnis), sei es, weil der Neffe das Antragsformular unvollständig ausgefüllt hat. Eine unklare Situation, welcher Aspekt hier der gewichtigere ist. Und dann weigert sich die Mutter, der Schwester den Anteil zu geben. Und der Sohn wird daraufhin strafrechtlich scharf verurteilt.

Ich empfinde diese strafrechtliche Verurteilung und vor allem das Strafausmaß als völlig überzogen. Die Mutter soll einfach den Schwesteranteil rausrücken und die Sache ist erledigt. Und wenn es schon sein muß, dann soll halt der (bisher unbescholtene?) Sohn ein moderates Strafgeld bezahlen.

Ein Gericht bzw. die Justiz sollte in erster Linie dafür sorgen, daß ein Opfer zu seinem Recht kommt, daß entstandener Schaden repariert wird. In dem Fall ist das Opfer die Schwester. Und erst dann sollte die strafrechtliche Seite ausgespielt werden, wenn man glaubt, daß es unbedingt notwendig ist.

Nescio hat gesagt…

"...Die Geschichte begann damit, dass der in Prag und Wien lebende Templ..."

Wie schaut es eigentlich in Prag, bzw. in der Tschech. Republik mit Entschädigungen aus, für Enteignungen und Vertreibungen?