Sonntag, 20. Oktober 2013

»Krise im Pseudo-Kapitalismus«

... betitelt Susanne Kablitz einen — wie bei ihr schon gewohnt! — ausgezeichneten Artikel im »European«. Kein Wort zuviel, und jedes Wort paßt:
Die etablierte Krisenpolitik jagt einem neoliberalen Sündenbock nach. An der ursächlichen Verflechtung, die sich in Bankenrettungen und Staatsverschuldungsorgien zeigt, rüttelt sie nicht – und das bringt auch den Leistungsträger in Gefahr: Die Mittelschicht.

Der ehemalige Wirtschaftsminister und spätere Bundeskanzler Ludwig Erhard würde heute in den Blockparteien wohl als zu ächtender „Rechter“ gelten. Als Anti-Europäer, dem man den Austritt aus der Partei nahe legen würde, eben wie das Hans-Dietrich Genscher mit Frank Schäffler derzeit praktiziert. „Die FDP steht für Europa und den Euro. Wer das nicht akzeptiert, sollte sich fragen, ob er bei uns noch richtig ist“, so die Worte, die er dem einzigen Mann in der gerade kläglich untergegangenen ehemaligen liberalen Partei an den Kopf geworfen hat, der sich offen gegen den Euro-Wahnsinn ausgesprochen hat.

Ludwig Erhard würde sich im Grab umdrehen, wenn er erleben müsste, wie weit „Experten“ sich inzwischen von jeglicher Wirtschaftskompetenz verabschiedet haben und dem Rückgrat der Gesellschaft – dem Mittelstand – jeden Tag mehr die Luft zum Atmen abschnüren. Erhard hat keineswegs Wunder vollbracht, er hat lediglich neoliberale Wirtschaftspolitik betrieben. Das heißt – gemäß den Worten des Sozialdemokraten Karl Schiller – so viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig. In den Altparteien ist volkswirtschaftliche Vernunft hingegen kaum noch vorhanden.

In der Tat war Erhard ein „Neoliberaler“, ein Begriff, der besonders „von den Linken“ als Kampfvokabel verwendet wird, ohne dass diese überhaupt wissen, was „neoliberal“ bedeutet – nämlich ein um das Sozialstaatsprinzip modifizierter Liberalismus, eben die Soziale Marktwirtschaft. Es wird heute aber so getan, als bezeichnete dieser Begriff eine Art Raubtierkapitalismus, was doppelt falsch ist. Bedauerlicherweise sind aber die „Liberalen“ in unserem Land derart inkompetent, dass sie selbst nicht mehr wissen, was „neoliberal“ bedeutet, sodass inzwischen selbst aus der Partei Erhards gegen den Neoliberalismus gewettert wird und somit anscheinend niemand mehr weiß, warum es ihm eigentlich immer noch gut geht.
(Hier weiterlesen)
Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen, Frau Kablitz!


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P.S.: auf dem Blog der ebenso sympathischen wie kompetenten Autorin findet sich aktuell übrigens eine Serie von lesenswerten Artikeln unter dem Titel »Ein Mann — ein Wort!«: Teil 1Teil 2Teil 3Teil 4.

2 Kommentare:

Susanne Kablitz hat gesagt…

Lieber le penseur,

Herzlichen Dank und mit bestem Gruß!

Stefan Wehmeier hat gesagt…

Was ist die “Finanzkrise”?

“Der Sparer erzeugt mehr Ware, als er selbst kauft, und der Überschuß wird von den Unternehmern mit dem Geld der Sparkassen gekauft und zu neuen Realkapitalien verarbeitet. Aber die Sparer geben das Geld nicht her ohne Zins, und die Unternehmer können keinen Zins bezahlen, wenn das, was sie bauen, nicht wenigstens den gleichen Zins einbringt, den die Sparer fordern. Wird aber eine Zeitlang an der Vermehrung der Häuser, Werkstätten, Schiffe usw. gearbeitet, so fällt naturgemäß der Zins dieser Dinge. Dann können die Unternehmer den von den Sparern geforderten Zins nicht zahlen. Das Geld bleibt in den Sparkassen liegen, und da gerade mit diesem Geld die Warenüberschüsse der Sparer gekauft werden, so fehlt für diese jetzt der Absatz, und die Preise gehen zurück. Die Krise ist da.”

(aus “Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld”, 1916)

20 Jahre später bezeichnete der “Jahrhundertökonom” J. M. Keynes in seiner “Allgemeinen Theorie (der Beschäftigung der Politik)” dieses Phänomen, das sich zwangsläufig aus der Verwendung von hortbarem Geld mit Wertaufbewahrungs(un)funktion (Zinsgeld) ergibt, als “Liquiditätsfalle” – und beschrieb zwei Mittel, um sie hinauszuzögern: Erhöhung der Staatsverschuldung mit Ausgabe des Geldes für Projekte, die den Zinsfuß nicht senken (Löcher graben und wieder zuschaufeln, Kriegsrüstung, etc.), und Geldmengenausweitung.

Um aus der Liquiditätsfalle herauszukommen, gibt es bei der weiteren Verwendung von Zinsgeld nur eine Möglichkeit: Eine umfassende Sachkapitalzerstörung muss den Zinsfuß anheben. Diese früher sehr beliebte “Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln” konnte jedoch nur solange der “Vater aller Dinge” sein, wie es noch keine Atomwaffen gab!

Was ist Politik?

“Im Grunde ist Politik nichts anderes als der Kampf zwischen den Zinsbeziehern, den Nutznießern des Geld- und Bodenmonopols, einerseits und den Werktätigen, die den Zins bezahlen müssen, andererseits.”

Otto Valentin (“Warum alle bisherige Politik versagen musste”, 1949)

Was nun?

“Ich finde die Zivilisation ist eine gute Idee. Nur sollte endlich mal jemand anfangen, sie auszuprobieren.”

Sir Arthur Charles Clarke (1917 – 2008)

Der längst überfällige, eigentliche Beginn der menschlichen Zivilisation setzt die Überwindung der Religion voraus, die den Kulturmenschen überhaupt erst “wahnsinnig genug” für das Geld machte, lange bevor diese seitdem grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung wissenschaftlich erforscht war:

Macht oder Konkurrenz