Freitag, 22. März 2013

Was Unterberger vernünftig findet ...

... muß deshalb, bei aller Wertschätzung gegenüber dem verdienstvollen früheren Chefredakteur Wiener Tageszeitungen, nicht auch unbedingt vernünftig sein. So seine Meinung im Falle der geplanten Plünderung der Sparguthaben in Zypern:
Zum ersten Mal haben die europäischen Finanzminister in der Euro-Krise etwas halbwegs Vernünftiges beschlossen – und sofort wird ringsum aufgeheult, ausgerechnet in Österreich und Deutschland am lautesten, die vom Minister-Beschluss eigentlich profitiert hätten. Dementsprechend ist das Vorhaben binnen weniger Tage an den Heulern und am zypriotischen Parlament gescheitert. Die Heuler haben, wie die letzten Stunden zeigen, offenbar Erfolg, obwohl sie fast durchwegs dumm und geradezu selbstbeschädigend argumentieren. Vor allem begreifen sie nicht, was die zwei einzigen möglichen Alternativen sind, wenn die zypriotischen Sparer nun sakrosankt bleiben. Oder sie verschweigen es populistisch.

Wenn Zyperns Sparer (zu einem hohen Anteil russische Steuerflüchtlinge!) nicht geschoren werden, kommt es zum ersten Mal zu einem Totalcrash eines europäischen Staates – oder es kommen neuerlich die – derzeitigen und künftigen – europäischen Steuerzahler unters Messer. Aber offenbar wollen die Heuler das ja. Und sie setzen das auch durch, da das zypriotische Parlament eine Beschneidung der Sparguthaben ablehnt. Wäre nicht in Westeuropa das populistische Aufheulen so laut gewesen, dann hätte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch das zypriotische Parlament nicht getraut, Nein zu sagen.

Die Krokodilstränen um die „armen Sparer“ auf Zypern sind insbesondere deshalb absurd, weil diese in den letzten Jahren durch (gegenüber Deutschland und Österreich) weit überhöhte Zinsen ein Vielfaches dessen kassiert haben, was sie jetzt zahlen hätten sollen. Wer in zehn Jahren 20 Prozent mehr kassiert als hierzulande ein Sparer, der sollte eigentlich auch 10 oder 16 Prozent Verlust hinnehmen können.

Es heulen auch jene auf, die schon lange – prinzipiell voll zu Recht – dagegen protestiert haben, dass in den letzten Jahren „die Banken“ gerettet worden sind; sie haben zwar protestiert, nur haben sie offenbar nicht begriffen, was das heißt. Denn werden einmal „die Banken“ nicht gerettet, hat das logischerweise Konsequenzen, nämlich bei den Gläubigern der Banken. Das ist die geradezu zwingende Folge jedes Konkurses (=Nichtrettung eines insolventen Unternehmens).
(Hier weiterlesen)
Nun, das ist zwar alles nicht ganz falsch — aber deshalb noch keineswegs ganz richtig! Und schon gar nicht gerecht (sofern man auf derlei Quisquilien noch achten möchte...). Wie wäre ein korrekter und fairer Umgang mit der Schieflage der zypriotischen Banken gewesen? Nun, ganz einfach: man hätte für eine — natürlich möglichst geordnete — Insolvenz der betroffenen Banken sorgen müssen. Das hätte natürlich auch Auswirkungen auf die Spareinlagen gehabt, und wahrscheinlich sogar deutlich gravierendere, als die beabsichtigten 6,25% bzw. 9,9%. Nur: es hätte eine echte wirtschaftliche Bereinigung dargestellt, die dem EU-»Konzept« (das man wegen seiner Konzeptlosigkeit ja wirklich nur in Anführungszeichen setzen kann!) jedoch abzusprechen ist. Denn dieses EU-»Konzept« hätte signalisiert:

»Wir« (d.h. das große, politisch weitsichtige EUropa und sein großer, politisch noch viel weitsichtigerer Rat der EUdSSR-Kommissare) »retten« — gegen eine entgegenkommend niedrige Beteiligung »Zyperns« an dieser Aktion — die Wirtschaft und »Europa«!

Und an dieser Story ist so ziemlich alles falsch und verlogen, was da nur falsch und verlogen sein kann! Die deutlich unschöneren Fakten sind vielmehr folgende:

1. Die EUrokraten trauten sich einfach gegenüber einem kleinen Drecksland wie Zypern in einer Weise aufzudrehen, wie sie es gegenüber Spanien, Italien, Frankreich, oder sogar Protugal und Griechenland sich nie getraut hätten.
2. Dadurch soll nur das Schneeballsystem »Euro« (mit Subsystemen ESM & Co.) noch eine weitere Drehung lang »gerettet« werden, denn Politiker werden lieber morgen davongejagt, als bereits heute. Und mehr als einen kurzen »Zeitkauf« hätte die Aktion nicht gebracht.
3. Der »Beitrag Zyperns« (»Zyperns«? Will heißen: die beschlagnahmten Guthaben der Zyprioten und ausländischer Anleger!) wären im großen EZB-/ESM-Topf irgendwo verdunstet. In dem ganzen Falschgeldzirkus der EZB ist ohnehin nicht mehr festzustellen, was davon bloße Luftziffern und was davon noch reelle Werte bedeutet (nur daß letztere eine verschwindende Minderheit ausmachen, davon kann man unbesorgt ausgehen!)
4. Statt einer — schmerzhaften — Marktbereinigung wäre es zu einer objektiv völlig sinnlosen, und dennoch schmerzhaften Konkursverschleppung gekommen.

Nun, auch viele Kommentarposter bei Unterberger empfanden das ebenso. Und einer, »Reinhard«, feuerte eine ziemlich brutale Breitseite ab, über deren apodiktischen Ton der Verurteilung Unterbergers man zwar streiten kann, nicht jedoch über die Richtigkeit seiner Argumente:
Entschuldigung, Herr Unterberger, aber mit diesem Beitrag haben Sie sich endgültig aus dem Club der Liberalen katapultiert!

Es geht in Zypern nicht um eine Beteiligung der Mitschuldigen an einem Missstand, sondern um einen staatlichen Eingriff in Privatrechte, einen Zugriff auf private Guthaben, der bisher nur den Vertretern der von Ihnen bisher (zu Recht) abgelehnten Vermögenssteuer eingefallen ist. Pauschal jedem, der ein noch so kleines Geldvermögen zu besitzen sich erfrecht einen Teil dessen über Nacht, entgegen Eigentums- und Steuerrecht, kaltschnäuzig abzuknöpfen, um die Folgen der politischen Fehlentscheidungen zu mindern, ist ein Vorgang, der einem liberalen Menschen den kalten Kaffee hochkommen lässt!

Dies auch noch mit dem pauschalen Vorteil des Sparers (egal welcher Bank, also nicht nur jener derer mit Schieflage) zu begründen, ist ein nächster Schlag ins Gesicht des Liberalismus. Nach Ihrer Logik müssten auf alle Autos sofort Strafsteuern gelegt werden, um die Opel-Insolvenz zu verhindern, denn immerhin hätten die Autofahrer ja jahrelang davon profitiert, die Autos günstiger zu bekommen als sie eigentlich sein dürften. Den Kunden für die Angebote des Lieferanten, in diesem Fall die Höhe von Zinsen, abzustrafen, ist ein Gedankengang, den ich Ihnen ehrlich gesagt im Traum nicht zugetraut hätte; aber mit dem Jubel zur staatlichen Enteignung von Vermögenswerten ergeht es mir gleich.

Ich habe kein Mitleid mit irgendwem, aber egal ob zypriotischer Kleinsparer oder russischer Großanleger, eine pauschale Einhebung einer Strafabgabe zwecks Verschönerung der Staatshaushaltszahlen ist ein Dammbruch, über den sich Leute wie Faymann und Co. die Hände reiben können, denn es öffnet rechtlich Tür und Tor jeder Form der Vermögensbestrafung. Von der Strafabgabe auf Luxusgüter über Strafabgabe auf Immobilien bis zur Rasur der Spareinlagen, der Versicherungsvermögen und aller Ansparpläne der Häuslbauer mit endfälligem Kredit oder Pensionsvorsorgeversicherungen. Und anstatt als angeblich liberaler Mensch das Grausen vor solchem staatlichen Wüten in den privaten Eigentumsrechten zu bekommen, klatschen Sie Beifall und verhöhnen noch jene, die diesen seit kommunistischen Enteignungswellen nicht mehr erlebten Vernichtungsfeldzug gegen die Rechtsstaatlichkeit und das Prinzip von Treu und Glauben zu kritisieren und abzulehnen wagen?

Ich bin enttäuscht, extrem enttäuscht. Die EU und deren Rettung scheint Ihnen wichtiger zu sein als das Eigentumsrecht des Privaten, zumindest so lange, wie es sich nicht um Ihr Eigentum handelt.

Lassen wir die Banken pleite gehen, das hätte von Anfang an mit jedem Kreditinstitut passieren müssen, das sich verspekuliert; lassen wir die Einlagensicherung greifen, das ist der billigste und einfachste Weg, den kleinen Leuten ihr mühsam Erarbeitetes zu erhalten; flüchten wir uns nicht in Argumentationsgebäude wie Ihr Gespinst vom "geschickten Oligarchen", der seine Gelder 100.000-Euro-Weise auf hunderte Banken verstreuselt (wenn es ihn geben sollte, dann Gratulation seiner Weitsicht, aber wegen dem einen Millionen zu rasieren ist das dümmste Argument der gesamten Kette) sondern respektieren wir das private Eigentumsrecht und das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen in angemessener Weise (sollte jemand Schwarzgelder in Zypern bunkern, wäre eine Zusammenarbeit der russischen und zypriotischen Justiz angesagt; aber keinesfalls eine pauschale Bestrafung aller Zyprioten). Lassen wir Zypern aus dem Euro raus, wie es schon mit Griechenland hätte passieren müssen und mit jedem anderen Land, das nur noch durch den Tropf ernährt wird, dessen Inhalt auch noch täglich in der EZB frisch gepresst wird. Akzeptieren wir die Entscheidung des zypriotischen Parlamentes, einer Volksvertretung, die uns zeigt, dass es in der EU doch noch möglich ist, eine Entscheidung auf nationaler Ebene zu treffen.

Verteidigen wir nicht weiter jene EU, die als Antwort auf die Frage, wie sich dieser Bruch des europäischen Steuer- und Eigentumsrechts denn begründen ließe, kaltschnäuzig antwortete, jede nationale Regierung könne jederzeit Gesetze erlassen, die europäischen Richtlinien widersprechen - ach, auf einmal? Bisher lautete der Tenor eher, wer nicht sofort EU-Wünsche national umsetzt, wird geächtet, vor den EuGH gezerrt, als Gemeinschaftsparia ins Eck gestellt, zur Not sanktioniert. Das war also alles gar nicht so gemeint in der Gemeinschaft der Wendehälse, deren Fähnchen sich nicht mehr nur im Wind der täglichen Rechtsbrüche aus den eigenen Reihen drehen sondern bereits planlos rotieren wie die Arme eines Ertrinkenden?

Die Maske der EU, zerbröselt, die Maske der Verlogenheit nationaler Politiker ebenso, sie müssen um sich selbst zu retten (und das ist das einzige Ziel der "Rettungsaktionen") nach der schleichenden Enteignung über Inflation und Gebührenerhöhung zur offenen Enteignung durch Vermögensstrafabgae schreiten. Und das war erst der Anfang.

Liberale wehren diesen Anfängen und bejubeln sie nicht.
Es tut mir Leid, aber Sie haben für mich Ihre Glaubwürdigkeit verloren.
Schade.
Harte Worte, in der Tat! Ich bin freilich geneigt, hier weniger böse »antiliberale« Umtriebe Unterbergers zu mutmaßen, sondern eher eine Reihe von Fehlschlüssen als Ursache anzunehmen, die ihn zu diesem »Bockschuß« veranlaßten. Das ist ärgerlich, sehr ärgerlich sogar — und doch, wie schon Horaz sagte: »Indignor, quandoque bonus dormitat Homerus«. Wollen auch wir es daher über diesem Lapsus Unterbergers bei kurzfristiger Indignation belassen! Es irrt der Mensch, so lang er strebt — und das Streben wollen wir Unterberger doch wirklich nicht absprechen ...

2 Kommentare:

FDominicus hat gesagt…

" Und einer, »Reinhard«, feuerte eine ziemlich brutale Breitseite ab, über deren apodiktischen Ton der Verurteilung Unterbergers man zwar streiten kann, nicht jedoch über die Richtigkeit seiner Argumente: "

Absolut zutreffend. Ich habe mich ebenso gegenüber derartigen Meinungen geäußert. Wie es meines Erachtens korrekt zu laufen hat, habe ich hier festgehalten:

http://fdominicus.blogspot.de/2013/03/richtige-entscheidung.html


Was mich entsetzt. Es wird pauschal davon ausgegangen, daß dieses Geld dort widerrechtlich angehäuft wurde. Frei nach dem Motte es trifft ja sowieso die "Richtigen".

Ich bin nicht so naiv zu glauben alles sei dort rechtens, dafür ist Rußland einfach eine zu brutale Diktatur und das der Staat dort seine Hand über viele Betrüger hält ist m.E. "klar".

Es geht mir um eines. Der Reihenfolge in der so etwas "bezahlt" werden muß. Es ist für jeden normal, daß erst die Eigenkapitalgeber dran sind, dann die expliziten Gläubiger (nämlich die, die Anleihen von de jeweiligen Banken gekauft haben) und nur zuletzt darf es an die Einlagen gehen (obwohl es auch hier Recht wäre diese Dinge einfach nicht anfassen zu düfen) in unserem beschissenen System ist das aber nun mal so geregelt....

FDominicus hat gesagt…

Ich weiß aucn nicht was in Herrn Ortner gefahren ist:
http://www.ortneronline.at/?p=21675

Das ist so diamtral entgegengesetzt zu dem was er sonst so schreibt...