Montag, 22. September 2008

Wo bleiben die Lichterketten? Wo die Betroffenheits-Demos?

Unter dem Titel Wochen der Gewalt gegen Christen liest man in der Wiener Tageszeitung »DiePresse« unter anderem folgende Neuigkeiten aus Indien:

Seit August kam es zunächst in Orissa, dann in Karnataka zu christenfeindlichen Ausschreitungen. Allein in Orissa sind mindestens 45 Menschen ums Leben gekommen und Zehntausende in die Flucht getrieben worden. 56 Kirchen, 11 Schulen und vier weitere kirchliche Einrichtungen sollen zerstört worden sein. Auch in Karnataka wurden etwa zwei Dutzend Kirchen angegriffen. "Bajrang Dal" ist die Jugendorganisation des fundamentalistischen "Welt-Hindurats" ("Vishwa Hindu Parishad"), der auch den Konflikt zwischen Muslimen und Hindus schürt.

Zu Zusammenstößen zwischen Hindus und Christen kommt es in Indien immer wieder. Hinduistische Hardliner beschuldigen christliche Missionare, arme Inder aus niedrigen Kasten mit der Aussicht auf Bildung und medizinische Versorgung zum Religionswechsel zu bewegen. Etwa zwei Prozent der 1,1 Milliarden Inder sind Christen.
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Der Erzbischof von Bhopal, Leo Cornelia, vermutet in einem Interview mit Kathpress, dass wirtschaftliche Interessen von Landbesitzern hinter den Ausschreitungen gegen Christen stecken. Die Christen seien in der Regel "Adivasi" (nichtarische Ureinwohner) und "Dalit" (Kastenlose) mit geringer Bildung, die den Großbauern als billige Arbeitskräfte dienten. Die hinduistischen Landbesitzer fürchteten aber, dass ihre Arbeiter mit einer besseren Ausbildung durch christliche Schulen zunehmend in die Städte abwandern könnten.

Die Landbesitzer, die noch am Kastensystem festhalten, störe diese Entwicklung, so der Erzbischof. Außerdem hätten sie Angst, dass die Christen nicht mehr so leicht politisch beeinflussbar seien wie bisher. Politik sei in Indien wieder sehr stark mit der Religion verknüpft, die Zeit des indischen Säkularismus sei vorbei. Die Christen, besonders die Katholiken, zeichneten sich durch großes Engagement bei Bildung und Gesundheit aus, so Erzbischof Cornelio.

Cornelio betonte, dass es sich bei den Angreifern um eine kleine Minderheit handle. Die Mehrheit der Hindus sei friedlich. 90 Prozent der Schüler in den christlichen Schulen seien Hindus.

"Die Wirtschaft in Indien wächst sehr schnell. Viele Menschen suchen Arbeit. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird größer. Diese Situation führt zu sozioökonomisch bedingten Unruhen", so Cornelio. Christliche NGOs und Bildungsinitiativen befreiten kastenlose Landarbeiter aus sklavenähnlichen Verhältnissen. Hinduistische Extremisten vermuteten eine bezahlte Abwerbung dieser Menschen zum Christentum und schüchterten sie mit Angriffen ein.

Tatsache sei, dass es nur in jenen Bundesstaaten ein Problem gibt, in denen radikale, nationalistische oder fundamentalistische Parteien an der Macht sind, so Cornelio.


Ja, wären die abgefackelten Kirchen nicht Kirchen, sondern Moscheen, und stünden sie nicht in Indien, sondern in Europa, so ginge ein markerschütternder Schrei durch die Medien. Lichterketten würden spontan gebildet, ein kerzenleuchtendes und herzerwärmendes »Nie wieder!« in die trüben Herbstabende zu verströmen — aber so sind's einfach die falschen Opfer am falschen Platz ...

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